Ansichten
zu Politik und Recht

Eugen David

Economiesuisse: neue Strategie in der Europa-Politik?

Laut ihrem Präsidenten will Economiesuisse das bilaterale Verhältnis mit der EU weiterentwickeln.

Ein Austritt aus dem europäischen Binnenmarkt, wie ihn die rechtsnationale SVP anstrebt, steht für Economiesuisse nicht zur Debatte.

Soweit es um die Anwendung des europäischen Binnenmarktrechts geht, ist der Europäische Gerichtshof (EuGH) als letzte Instanz zuständig.

Das anerkennt Economiesuisse auch für die Anwendung des europäischen Binnenmarktrechts in der Schweiz.

Mit Recht stellt sich die Wirtschaftsorganisation damit gegen die Auffassung des Bundesrates. Der Bundesrat ist der Ansicht, der EuGH solle für das Gebiet der Schweiz nur unverbindliche Gutachten abgegeben, aber keine Urteile fällen dürfen.

Wenn die Schweiz sich weiterhin am europäischen Binnenmarkt beteiligen will, muss sie – wie alle andern 31 Binnenmarktländern – akzeptieren, dass in Streitfällen über die Anwendung der Binnenmarktregeln für alle Unternehmen und Bürger aus dem europäischen Binnenmarkt als letzte Instanz der EuGH entscheidet.

Wollte jedes Land – wie es der Bundesrat möchte – selbst in letzter Instanz entscheiden, ob und wie es die Binnenmarktregeln anwenden will, würde sich der europäische Binnenmarkt sofort auflösen. Das mag der Wunsch einer Minderheit der Landesregierung sein.

Auf solche Wünsche werden sich die andern 31 Länder des Binnenmarkts nicht einlassen. Die Mehrheit des Bundesrates und des Parlaments sollten sich daher von dieser europarechtlich unsinnigen und aussichtslosen Strategie verabschieden.

Economiesuisse möchte für die wenigen Bestimmungen der bilateralen Verträge, welche nicht europäisches Binnenmarktrecht sind, ein Schiedsgericht walten lassen.

Das kompliziert die Lage für Unternehmen und Bürger, die vom Binnenmarktrecht betroffen sind, ist aber – anders als die Position des Bundesrates – nicht eine von vorneherein unmögliche Lösung.

Die Ansicht von Economiesuisse, die flankierenden Massnahmen der Schweiz zur Personenfreizügigkeit seien vom europäischen Binnenmarktrecht nicht betroffen, trifft allerdings nicht zu.

Die flankierenden Massnahmen des nationalen Rechts müssen sich in allen 32 Binnenmarkt-Ländern an die gemeinsamen Binnenmarktregeln halten.

In der Schweiz ist dies heute nicht der Fall: Artikel 6 des Entsendegesetzes, wonach Binnenmarkt-Unternehmen spätestens 8 Tage vor Beginn der Arbeiten meldepflichtig sind, wenn sie in der Schweiz Arbeiten ausführen wollen, verletzt seit 1.4.2006 das europäische Binnenmarktrecht.

Genau diese Vorschrift zur Fernhaltung von Handwerker-Konkurrenz aus dem Binnenmarkt hat die andern 31 Binnenmarktländer veranlasst, von der Schweiz für das europäische Binnenmarktrecht die Anerkennung des EuGH zu fordern.

So gesehen führt die neue Strategie von Economiesuisse ebenso in die Sackgasse, wie jene des Bundesrates.

04.09.17

zur Publikation als PDF